Dominique Foertig/ Munchis Art Club, 2021

https://www.munchiesart.club/featured-artist/kevin-a-rausch-austrian-contemporary-art

Beatrix Obernosterer/Kuratorin/Kunsthistorikerin, Klagenfurt

Alexa R. Jordan / Independent Curator/ Vienna-San Francisco

Andre Lindhorst / Curator, Berlin

Florian Steininger / Director Kunsthalle Krems

Dieter Schrage / Art Historian / Curator, Vienna

Barbara Baum / Curator / Vienna

 

 

Beatrix Obernosterer/Kuratorin/Kunsthistorikerin, Klagenfurt

Ausstellung „KEVIN A. RAUSCH – SNAPSHOTS


„Ich werde mich entschlossen verirren.“

Nicht von ungefähr steht dieses Zitat von Peter Handke aus dem Jahre 1983 am Anfang des 15minütigen Kurzfilms „Paris untitled“ von

Kevin A. Rausch…

Im Vorspann als „Rough Cut“ – also „Rohschnitt“ – bezeichnet, reihen sich tonlose, meist sehr kurze Sequenzen zu einer rasanten Reise durch Paris aneinander. Auch ohne Ton kann man das Laute, die Hektik einer Großstadt hören.

Zu Fuß, mit dem Rad oder mit der U-Bahn hat Kevin Rausch Paris erkundet, ist gewandert und flaniert, hat gemalt, gezeichnet und gefilmt.

Er zeigt uns sein ganz persönliches Paris und das ist beileibe nicht DAS, was der Mensch sich erwarten würde. So wie auch schon bei seinen anderen Städte-Portraits von Neapel oder Kairo sind es keine perfekten Ansichten der Sehenswürdigkeiten und Motive einer üblichen Touristentour.

Notre Dame oder der Louvre kommen zwar vor, aber nur als vage Schatten. – Rauchschwaden von Industrietürmen, das simple Springen der Ampel von Grün auf Rot ohne gewohnte Gelb-Zwischenphase, dreckige Hausfassaden, das Wehen von Stofffetzen auf einem Stück Stacheldraht, der fast leere Innenraum eines U-Bahnwagons, Streetdancer in einem heruntergekommenen Viertel, die Dusche in seinem Atelier…. Bewusst oft unscharf und mit dem typischen Grieseln des Filmformats 8mm .

Es ist SEINE Art einer Liebeserklärung an Paris.

Aus diesem filmischen Verständnis heraus sind in Paris auch die kleinformatigen Bilder dieser Ausstellung, die er als „Snapshots“ –
also „Schnappschüsse“ – betitelt, entstanden.

Kevin Rausch zeichnet keine malerischen Welten. Harmonie? Das ist so gar nicht seine Welt: Das Unperfekte, das Unfertige reizt ihn. Ideenskizzen oder Vorzeichnungen gibt es bei ihm nicht.

Brüche dagegen sind ein MUSS für ihn – in allen seinen künstlerischen Bereichen, in denen er sich ausdrückt (sei es die Malerei, die Zeichnung, die Skulptur oder eben seine Filmarbeit). Seine unterschiedlichen Ausdruckweisen bedingen einander, stehen nicht einzeln für sich, sondern in Verbindung. Manche seiner Figuren scheinen direkt aus seinen Bildern herausgestiegen zu sein, Zeichnung verbindet sich mit Malerei.

Kevin Rausch sucht immer neue und unbekannte Wege der Bildgestaltung. Das zeigt sich auch deutlich in dieser Ausstellung,
die zu mehr als drei Viertel mit Werken aus Paris bestückt ist.
Der Rest stammt aus den letzten 5 Jahren.

„Ich mag es nicht, wenn ich stehen bleibe und wenn sich alles nur wiederholt! Das bringt mich nicht weiter!“ – so der Künstler.

„Es ist diese Mischung so vieler Formensprachen, so vieler Formenspuren, so vieler Eindrücke, Stimmungen und Spannungen
und vor allem auch Schwebezustände, die Kevin Rauschs Bildern eine so eigenwillige Ästhetik verleihen und sie zugleich oft so ruhelos und vibrierend vital erscheinen lassen“, wie der Berliner Kurator André Lindhorst bemerkt.

Von der Lust an den Malprozessen und seinen Experimenten im Atelier spricht Kevin Rausch oft: „Malen ist für mich ein Rückzugsort.
Ich vertraue mein Ich diesem Ort an, lerne meine Zeit zu begreifen und das Vergängliche“.

Seine Kunst ist und bleibt ein andauerndes Suchen. Und so hat ihn sein Weg in der Malerei in den letzten Jahren – als logische Konsequenz, als logische Fortsetzung – zu immer mehr Abstraktion geführt. Er nimmt das Figurale immer mehr zurück.

Da wo Menschen früher quasi durchgearbeitet waren, sind sie jetzt oft nur mehr als Kontur angedeutet.

Seine Skulpturen, mit denen er 2007 begonnen hat, sind kleiner und schlanker geworden. Die Figuren aus Holz und Modelliermasse erinnern in ihrer filigranen Beschaffenheit an die Bronzen von Alberto Giacometti und haben reale Menschen als Inspiration: So erinnert etwa die Skulptur „Michele“ an einen Oberkellner in einem Pariser Café, das Kevin Rausch regelmäßig besucht hat.

Auf die Frage woher er sich die Inspiration für seine Arbeit holt, hat Kevin Rausch einmal geantwortet: „Inspiration schlummert in einem. Ich hole mir ständig neue Eindrücke, treffe interessante Menschen. Aber auch allein das Tun im Atelier kann eine Art Inspiration für mich sein.“

Wichtige Inspirationsquelle ist ihm vor allem aber auch das Reisen, denn das FREMDE fasziniert ihn und ist das Einzige – wie er sagt – was ihn daran hindert, mit der Kunst aufzuhören…


EÖ-Rede zur Ausstellung „KEVIN A. RAUSCH – SNAPSHOTS“ I Living Studio der Stadtgalerie Klagenfurt I 27.6.2023 I


Alexa R. Jordan / Independent Curator/ Vienna-San Francisco

Intense in raw imagery and intrinsically timeless in nature, the work of Kevin Rausch
serves as a patchwork narrative, weaving together stories and scenes in a rich
capturing of contemplative moments that waver just on the verge of concrete
recognition. Monumental in scale, Rausch’s large format paintings depict far-away
panoramas, distinct in their complex layering and astounding physicality, and the
beings that wander continuously amongst them. Perhaps stemming from his
Carinthian background, the presence of nature is deeply integrated – at times,
providing the global image of the work itself in the form of landscape painting; at
others, lending key elements to the creation of an environment marked by the
presence of streams, tree branches, and overgrowth, as well as more ambiguous
shapes that fleetingly escape definition. And it is within this fertile, if at times not
sporadic, scenery that his anonymous figures can be seen, gazing into the distance,
searching amongst the vivid assembly of imagery, overcome by a sense of incessant
seeking and longing.
For Rausch, the paintbrush is first and foremost a tool of expression – in his own
words, an arm in the fight against the oversaturation of technology of our current
times. The canvas, composed of a dynamic layering of techniques, remarkably rich in
color and pattern, acts in itself as a sort of interminable quilt, bringing together often
seemingly independent elements in an elegant lyricality conducted by Rausch’s
distinct stroke – a poetic romanticism that alludes to the history of painting while
expressing unique innovation and energy that can simultaneously be seen as a
reflection of the very fast-paced society that he rejects. Alone or in pairs, at the brink
of commencing their journey or fast in its midst, Rausch’s unnamed beings – faceless
and often portrayed from behind – find themselves in moments of stillness within a
larger, continual narrative, exuding the existential angst of the human existence – that
is to say, the ultimate quest for meaning.
The altering – or often complete elimination – of perspective brings yet another layer
to this inherent angst, with the figure of the body playing an important role in its
slight yet steady presence within the sweeping universe of surrounding elements.
Equally engaged in the medium of sculpture, Rausch’s interest in the human form
translates directly to his three-dimensional works, where his quasi-life-sized
characters, composed of discerningly assembled elements of plaster, wood, and other
mixed media, in turn relay their own unique sense of longing. Rich in eclectic
costume and eerily enticing in their distinct yet nameless mask-like faces, they appear
in groups, marked by the slight notion of forward, steady motion – a band of
wandering travelers gazing into the distance, far beyond the confines of the gallery
walls. And so it is perhaps with the personage of the Seeker that Rausch himself
identifies, viscerally engaging in his mediums without a defined sense of beginning or
end, interweaving – while at the same time vehemently challenging – his own sources
of inspiration, from art history and music to the digitality of post-modern society, in a
layering of raw forms of expression that draw the viewer into a space of perpetual,
often unsettling, contemplation.

Andre Lindhorst / Curator, Berlin

Als ich Kevin Rausch vor ein paar Wochen fragte, worüber ich heute Abend sprechen soll, hat er mir geantwortet:„Du kennst meine Bilder, sage also einfach, was dir zu ihnen einfällt“.

Was mir speziell zu Kevin Rausch Bildern einfällt ist ein Gefühl, dass ich in den vergangenen Jahren bei der Beschäftigung mit aktueller Kunst nicht oft hatte. Was er malt, das setzt sich erfrischend ab von vielem in der Gegenwartskunst. Besonders beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie Kevin Rausch den Raum in seinen Bildern darstellt. Raumstimmungen und Raumempfindungen – wie er sie malt – lassen sich oft gar nicht in Worte fassen.

Das Phantastische, das Visionäre, das Absurde, das Paradiesische und Apokalyptische, Traum und Alptraum stehen dicht beieinander. Hinzu kommt, dass der Raum, wie ihn Kevin Rausch malt, immer in direkter Spannung steht zu den Menschen, die in seinen Bildern vorkommen.

Überhaupt – alles kreist bei Kevin Rausch um das Nachdenken über den Menschen.

Florian Steiniger – ein österreichischer Kunsthistoriker und Kurator – hat die Art, wie Kevin Rausch seine Leinwände bearbeitet – in Bezug zur Geologie gesetzt.

Seine Bilder seien „Sedimentationen von Materialität“ hat er geschrieben. Ich finde, das ist ein sehr guter Vergleich.

Wie Kevin Rausch die Farbe auf seine Leinwände aufträgt – Farbe über Farbe und Farbschicht auf Farbschicht – das ist geologischen Prozessen wie sie sich in der Natur ereignen, nicht unähnlich. In Kevin Rausch Atelier passiert dieses Überschichten allerdings mit dem Pinsel, mit dem Spachtel und auch schon mal mit den Fingern.

Oder oft auch mit einem überdimensionierten Rakel.

Später trägt Kevin Rausch dann von solchen Schichten auch wieder etwas ab.

Und so kommen unter den oben liegenden Farbschichten frühere Malspuren wieder zum Vorschein.

„Ich mag es gerne, wenn von den Schichten, die ich aufgetragen habe, sich immer noch etwas zeigt und wieder zum Vorschein kommt“, sagt er zu dieser Vorgehensweise.

Ideenskizzen oder Vorzeichnungen gibt es bei ihm nicht.

„Ich gehe vom Dreck aus“, sagt er. „Ein Flecken, ein Spritzer auf der Leinwand. Das ist für mich der Einstieg!“

Und von der Lust an den Malprozessen und seinen Experimenten im Atelier spricht er oft.

Er sagt: „Ich berausche mich am Malakt!“

In seinen Techniken ist Kevin Rausch völlig unorthodox. Da kommt auch schon mal Schleifpapier zum Einsatz – oder er zieht ein halbtrockenes Gemälde über den rauen Atelierboden.

Als „eine Art Stierkampf“ hat Kevin Rausch den Prozess der Bildfindung einmal bezeichnet.

Diese fast aktionistische Vorgehensweise dient dazu, das Bild aufzuladen.

Mit (fast körperlicher) Energie und mit Spannung und Dynamik.

Kevin Rausch sucht immer neue und unbekannte Wege der Bildgestaltung.

Und diese Suche nach radikal anderen Lösungen führt ihn auch weit abseits von den üblichen Konventionen und Techniken der Malerei.

Jemand hat einmal über Kevin Rausch Bilder gesagt, sie seien „ein Feld der Spuren“.

Ich finde, das ist eine treffende Einschätzung. Denn in den Bildern von Kevin Rausch begegnen uns unendliche viele Spuren.

Manchmal erscheint in seinen Gemälden auch Zeichenhaftes und Skripturales.

Linien, Punktreihen und Schraffuren beispielsweise. Oder auch handschriftliches – Worte, Buchstaben oder Zahlen.

Was sind das für Bildzeichen? Handelt es sich um Botschaften?Vielleicht! Aber sie sind selten vollständig lesbar.

Und sie wirken, wie unter hohem Druck und in großer Eile schnell und flüchtig hingekritzelt.

Es kommen auch ornamentale Formspiele und abstrakte Muster vor – oder Bildelemente die an ungelenke Zeichnungen von Kindern erinnern.

All das - Skripturales, Zeichenhaftes, Comicartiges an Graffiti oder Karikatur erinnerndes vermischt sich mit Malerei – wird Malerei! Es ist diese Mischung so vieler Formensprachen, so vieler Formenspuren, so vieler Eindrücke, Stimmungen und Spannungen und vor allem auch Schwebezustände, die Kevin Rausch Bildern eine so eigenwillige Ästhetik verleihen und sie zugleich oft so ruhelos und vibrierend vital erscheinen lassen.

Die Wucht der Emotionen wirkt oft so zugespitzt, dass der Betrachter den Eindruck von Energiefeldern hat oder von einer fiebernden Atmosphäre.

Kevin Rausch Kompositionen sind oft charakterisiert durch wunderbar aquarellartige, zart-poetisch und meisterhaft gemalte Stimmungen. In solchen Motiven – vor allem in den Bildern junger Liebespaare oder auch in denen von Kindern – blitzt manchmal eine hintergründige, leise Spur arkadischer Stimmung auf.

Doch Kevin Rausch belässt diese Bild der Idylle selten ohne Risse. Es wird immer wieder verworfen – vielleicht, um es als Fiktion oder Klischee zu demaskieren.

Dann ist das Bild der Idylle nur noch ein Trugbild, das am Horizont unscharf erscheint wie ein Regenbogen und in das man doch niemals eintreten kann. Mit den mythologischen oder heroischen Landschaftsbildern, wie wir sie von den alten niederländischen Meistern oder den Romantikern kennen, haben Kevin Rausch Bilder wenig zu tun.

Woher kommt diese Malerei? Wo hat sie ihre Traditionslinie?

Ein wenig fühlt man sich an die Künstler erinnert, die Ende des 19. Jahrhunderts die bedingungslose Autonomie für die Malerei durchgesetzt haben. An Odilon Redon beispielsweise und dessen rätselhafte Traum- und Phantasielandschaften mit den sich auflösenden Formen.

Und ein wenig mag man an den Engländer William Turner, die Franzosen Millet und Monet und den Niederländer van Gogh erinnert sein. Kevin Rausch Bilder sind in der Kunstgeschichte verwurzelt – aber er hat eine Kunst ganz nach seinen inneren Vorstellungen und über die Einflüsse von Kunstformen der Straße (Graffiti, Comic etc.) geschaffen.

Seine Bilder stecken voller Anspielungen, voller Rätsel, voller Paradoxien und voller Irritationen.

Und sie bieten wenig Sicherheiten für inhaltliche Festlegungen und Behauptungen. Wir durchleben in ihnen Wechselbäder!

„Die Menschen in Kevin Rausch Bilder spielen ein nicht ganz ungefährliches Spiel. Sie leben in einer Welt, in der alles unbewältigt ist. Und alles scheint auf der Kippe zu stehen!“ schreibt die Österreichische Kunstmanagerin Barbara Baum. Aber stimmt dieser Eindruck?

 

Oder scheint das alles nur so?

 

Wir sehen hier in der Galerie zwanzig überwiegend ganz neue Bilder von Kevin Rausch – zwischen 2014 und 2016 gemalt. Wir sehen immer wieder Figuren. Nennen wir sie Reisende, die in der Natur stehen oder die Natur durchwandern – am Tag und in der Nacht.Es sind Liebespaare, Kinder die aus der Gegend stammen können. Aber es gibt auch Figurationen, die fremd wirken und aus weiter Ferne zu kommen scheinen. Nicht nur ihr Äußeres deutet darauf hin, auch die schweren Stiefel und die Taschen und Rucksäcke die manche von ihnen mittragen.

„Outlaws“, die Rechtlosen, so hat Kevin Rausch ein Motiv, das so eine exotisch-fremdartige Figur zeigt, genannt.

Sind es bedrohliche oder gefahrvolle Zustände, die uns vor Augen geführt werden? Oder stehen wir nicht doch vor Urzuständen der Natur? Vielleicht sogar vor einer Natur, mit der der Mensch verbunden und in der er aufgehoben ist. Eine Natur, die gar nicht gegen den Menschen steht, sondern die ihm zugewandt ist.

Eine Mutter Natur, die ihm Geborgenheit und Heimat schenkt. Das ist schwer zu deuten.In den Bildern von Kevin Rausch steht beides nahe beieinander. Das Chaos der Elemente, die Unsicherheit und die Gefährdung, die Wegsuche und das Scheitern und der Untergang.

Aber auch das sich Behaupten und verorten und verwachsen mit dem Raum. Was manchmal auch Heimat und Glück bedeuten kann.

Das Gefühl der Unbeständigkeit der menschlichen Existenz stellt sich allerdings oft ein.

Der offene Naturraum, die Wildnis, wie sie Kevin Rausch uns vor Augen führt, erscheint oft instabil, ohne jede perspektivische Sicherheit und ohne ein Koordinatensystem, das uns ein Zurechtfinden ermöglichen würde.

Sein Landschaftsraum scheint aufgelöst, wie Fragmente, die sich übereinander geschichtet haben, so als seien dahinter noch unendlich viele andere Räume, Landschaften, Lebensspuren aus älteren, weit zurückliegenden Zeiten.

Überhaupt – Kevin Rausch Bilder haben eine zeitlose Atmosphäre. Neues und Altes in einem Bild – und – Erinnerungen, an das, was einmal war. Eine Ahnung beschleicht uns. Das, was wir sehen, hat es schon immer gegeben – von Anbeginn an!

Die Menschen in den Bildern von Kevin Rausch sind manchmal wunderbar durchgearbeitet. Und es ist eine märchenhafte Aura um sie. So wie in dem Bild des Afrikaners oder Orientalen, das im Eingangsbereich der Galerie hängt.

Dann wieder sind Menschen nur als Kontur angedeutet. Sie sind mehr oder weniger abstrahiert. Sie verschwimmen im Raum. Sie ähneln oft Figuren, wie wir sie von Comics kennen oder einer als Graffiti rasch an eine Mauer gesprayte Figur.

Manche Figur ist seltsam grotesk ins Bild gesetzt – gekippt oder verdreht. So als suche sie Halt oder als dränge sie nach Vorn. Immer wieder erscheinen Gesichter, Gesten und Grimassen.Oft entdeckt man in Kevin Rausch Bildern auf den zweiten Blick Figuren, die man zuvor überhaupt nicht wahrgenommen hat.

War da gerade noch eine zentrale Figur, so sind es plötzlich zwei oder drei.

Sie kommen von irgendwo her und gehen irgendwo hin. Auf der Suche, nach einem Überblick, einer Anhöhe. Auf der Suche nach einem Sinn einem Ziel.

Auf der Suche nach einem Weg durch schwer passierbares Terrain. Manchmal behindert eine Begrenzung das Fortkommen, ein Fluss, ein See, ein Meer, ein schroffes und scheinbar unüberwindbares Gebirge, eine rabenschwarze Nacht.

Und erinnert die merkwürdige Form am Horizont nicht an eine Architektur? Eine Stadt, ein Turm, ein Grenzturm vielleicht? Man weiß es nicht!

Oft geht der Blick der Menschen, die Kevin Rausch malt, in die Ferne. Dorthin, wo ein unbekanntes und nur schwer auszumachendes Ziel lockt.

Von der Vorstellung einer göttlichen geordneten Welt, wie sie noch die Maler der Romantik – Caspar David Friedrich etwa – propagandierten, ist in dieser Malerei keine Spur.

Die Welt, die Kevin Rausch malt, ist ohne Überbau. Sie fasziniert, wie uns ein kalter Diamant, wie uns ferne unbekannte Lichter in der Nacht faszinieren. Doch sie ist ein undurchschaubarer Ort – eine Welt, in der ein jeder seinen Weg und seine Platz suchen muss.

Hintergründig und brisant klingen bei Kevin Rausch Themen an, wie sie von vielen großen Meistern der Malerei aufgegriffen worden sind.

Das Thema der Weg- und der Sinnsuche etwa.

Hieronymus Bosch, Goya, El Greco, Ludwig Meidner oder auch viele heutige Künstler, wie Anselm Kiefer oder Neo Rauch etwa, haben dieses Thema bearbeitet und es auf Krisenzeiten und von Konflikten geschüttelte Epochen bezogen.

„Sometimes between“, heißt ein Bild von Kevin Rausch, das er vor zwei Jahren gemalt hat.

Irgendwo dazwischen, zwischen Licht und Schatten, zwischen Orientierungslosigkeit und Heimat, zwischen dem Schritt in den Abgrund und der Umkehr zur Vernunft und zum friedlichen Miteinander, da scheinen seine Figuren angesiedelt zu sein.

Aber manchmal, wenn ich seine Bilder betrachte, dann denke ich, er ist selbst eine seiner Figuren. Kevin Rausch ist ein Suchender. Nicht nur ein Suchender in dem, was ihn geprägt hat und was auf ihn einwirkt in seiner Zeit, sondern auch in seiner Malerei.

Er ist einer, der aus der Begrenztheit hinaus will und der sein Publikum mitnehmen will.

„Ich mag es nicht, wenn ich stehen bleibe und wenn sich alles nur wiederholt! Das bringt mich nicht weiter!“ hat er mir kürzlich am Telefon gesagt.

In Kevins Kunst sind Empfindungen von Schönheit ebenso eingegangen wie Skepsis, Wut und Rebellion gegenüber einer fragwürdig gewordenen Wirklichkeit.„Ich will mich berauschen lassen von der Kunst. Und das will ich in die Welt hinausschreien und hinausrocken – ja, das möchte ich!“ hat Kevin Rausch einmal in einem Filmporträt gesagt.

Ja, vielleicht kann man von dieser Musik sogar etwas spüren in seinen Bildern – die Wucht harter Punkmusik aber auch den melancholisch-traurigen Klang des Blues.

Kevin Rausch hat etwas kreiert, was man so schnell nicht vergisst!

Florian Steininger / Director Kunsthalle Krems

 Lone Wolf

 “Perhaps I always start with dirt.” Kevin A. Rausch’s pictures are always sedimentations of materiality and results of an intensive investment of process-oriented energy. Despite all its transparency and seductive depth suggesting a landscape space, the canvas is primarily a field of trails and traces. The painter gets to work spontaneously and with heightened physical energy; he lets the paint have its own way, besmirches the canvas, blotches the bright white of the fabric. The picture window is transformed into a pastose, smeared surface. Rembrandt and Courbet before him also used paint as material substance and applied thickly with the scoop, so that “unintentional” drops and smeared trails were left without cleaning them up to achieve a  naturalist appearance. The critics savaged the artists as slovenly, uncultivated “daubers”, sullying the noble painting. This besmirching however proved to be a radical contribution to pre-modern painting, transforming the painterly medium in terms of autonomy and a process-based approach.
Rausch usually spreads out the framed canvas on the studio floor, which means that the first traces are applied without any actual artistic intention or individual touch. He had recently visited Naples, a city that has little Italian picturesqueness about it. In its roughness and dirt it is closer to Cairo than to Rome, let alone the “open-air museum” of Florence. During his period as artist in residence in Cairo in 2005, he produced large-format works on paper emanating this ruggedness, this beautiful squalor. This is painting and drawing challenging “the clientele”, countering the general taste ruling the art market, where image, figure and primary colours are top priority. Rausch’s work is dominated by the brittle, the obscure and the black. His direct stroke densifies into thorny undergrowth and barbed wire, to scratching resistance, stinging vulnerability, entangling our glance. Long drawn lines mutate into shrieking scratches and furrows. Subsequently, however, he has shown a noticeable tendency towards a lyrical and mellow mode . Colour now functions merely as a means to create atmospheric space, painterly brushstrokes applied one on top of the other, like light flickering on gentle swells of the sea. Mist-veiled mountainous contours line the water; rampant vegetation on the foreground edge of the picture, images that never succumb to the dictum of pure representation. Painting for its own sake, its immediate power and rawness, is always at the centre, even when it is involves nature. Here Rausch encroaches on the great art-historical terrain of “painterly” landscape painters, ranging over William Turner, Gustave Courbet, Claude Monet, Joan Mitchell, Per Kirkeby, Anselm Kiefer and modern exponents including Peter Doig, Herbert Brandl and Cecily Brown.
Romantic melancholy creeps in when Rausch positions a graceful figure as representative of the observer on the bottom edge of the picture in a far-reaching, gloomy landscape, a Caspar David Friedrich quotation of the Monk by the Sea. But the Austrian artist disrupts the omnipotence of nature’s domain by the lack of homogeneity in the picture, a chatoyant alternation between airy spaciousness and the flatness of a painted wall. Rausch fragments the multi-part work like a collage, forms zones out of graphic elements and planar coatings. Undersized figures gather in a corner of his studio in the 15th District, having seemingly sprung out of their origins in the pictures. The artist has treated their skin, their attire just as graphically and in a painterly way as on the canvas. Grotesque creatures arriving from other places, travellers who tell of foreign parts. Rausch creates worlds of images, way beyond urban reality, imaginary, black-romantic landscapes, in which he lopes forth as a lone wolf on his painterly graphic way. 


 

 Dieter Schrage / Art Historian / Curator, Vienna

Tracing traces. 
What really interests

 

me about Kevin A. Rausch’s art is what he DOESN’T …

 

i.

We walk the streets
we are everywhere
– in the twilight and in-between zones
where silhouettes become blurred
we are lucent (dubious) figures
reflecting the lights.

These lines are sung by Peter Thiessen, vocalist and song-writer of the German punk-guitarist rockband „Kante“. A CD I got from Kevin A. Rausch. And Kevin is definitely one of these „lucent figures“; one from the „twilight and in-between zone where silhouettes become blurred“. And what really interests me about Kevin A. Rausch’s art is what, artistically, he DOESN’T „“. He is a painter; he makes objects; installations; he makes 8mm films; videos; music clips. And he plays the „Quetschn“ (Austrian term for accordion), an old harmonica which he inherited from his grandfather. He talks a lot about his grandparents, especially about his grandma in Wolfsberg in Carinthia. Many a biographical detail enters his art; his attitude towards life and world view.

II.

I don’t know if Kevin also writes lyric poetry. I could imagine so. His large-format pictures are painted lyrics from the „twilight zone“. Lyrical in-between layers. „SHhadeDE DAS BETON NICHT BRENNT…“ (A pity that concrete doesn’t burn.) What really interests me about Kevin A. Rausch’s art is what he DOESN’T DO, artistically. He writes prose: „Sober Day“. Music by Mr. Bungle accompanies his nail video; „ok music. nail and I, I the one who found a creative solution, believes it …“

III.

„zwischen Spuren, Spuren verwischen“ / „between traces, obliterating traces“

Kevin A. Rausch shows recent works in a studio presentation carrying this title. „Taubenflüsterer“ – one of the most remarkable new paintings. His grandmother in an end-time park. And he shows his objects made with white socks; sock bushes and a black sock tree. He gets the socks from an old clothes collection box of the Volkhilfe. Art as a form of recycling. The clean socks still show traces of usage, of life. Work; sweat. We are all on a journey. Kevin A. Rausch, the artist, is participant and observer at the same time. „between traces“ and „obliterating traces“. A nailed experimental film. Kevin: „I don’t think about why I do something. I just do it!“ What really interests me about Kevin A. Rausch’s art is – well, I’ve already said what.

„Pure reason may never triumph
we urgently need new lies
to show us the treasure of deliriousness
and then bow to us“
Tocotronic sounds through the studio

„We are so light that we can fly.“

 

 Barbara Baum / Curator / Vienna

 

Painting as View of the World


Only at a first glance do the works of Kevin A. Rausch (born in Carinthia, Austria) attest to a brittle, bleak apocalyptic mood; to desolatedness, grey battlegrounds, catastrophes, isolation, and the appendant weltschmerz. Once one takes a closer look, one can discover ironical associations within the collaged landscape with its strange small figures, set pieces, and animals, crossing the grey-and-white ground shades in a cheerful, colourful, and bold way. Here, weltschmerz is not spared of irony; gloomy predictions don’t go without a wink. Behind this charmingly shy coquetry, a serious, straightforward access to painting and drawing, in the sense of an artistic method, consequently developed over the years, is concealed.
Kevin A. Rausch’s subtle works, which can be classified between neo-retro and modernity, are convincing due to their melancholic coherence, their fine nuances and layers and, most of all, by their boldly drawn lines. Their aim is not the irruption of a manipulative frenzy in colour, or a move to pure abstraction, but to include refined qualities which are united, forming a distinctive poetic. Sometimes the desire of an inwardly traveller and disrupted figure to settle down is noticeable, even if it is obstructive.
In the collage pieces a landscape of ice, desert, snow, burned earth, arenas of war, industry, as well as rural romanticism unfolds, showing a rather unusual spectrum. This world, where the traces of colour tell of an inner dynamics an an informal and gestural way, is grotesque and romantic, hopeful and at the same time resigned.
Basically, the drawing, with its emotional, sometimes absurd lines, cuts through the painting, resulting in a form of tangibleness, of three-dimensionality which, through the cosmos, on earth, in a humanly archaic form very naturally cuts its way: it marks a departure towards the new, towards a future that is no longer charged with history. In Kevin A. Rausch’s pictures there is no freedom without isolation, no uplift (recovery) without fall (doom); their allure is caused by the transcendence of time.